Was sagt sie
über die Ursachen von Prüfungsversagen unter Stress? Welche
Vermeidungsstrategien schlägt sie vor?
Der präfrontale Kortex
Ein
wesentlicher Bestandteil des Intelligenzquotienten (IQ) ist im präfrontalen Kortex
des Gehirns lokalisiert. Hier befindet sich der Arbeitsspeicher unseres
Denkapparats. Er bestimmt quasi die «kognitiven Pferdestärken» jedes einzelnen
Menschen. In diesem Bereich wird Information kurzzeitig gespeichert, während
gleichzeitig etwas anderes, Untergeordnetes bearbeitet wird. Unnötige Infos
werden dabei verdrängt. Problemlösungsfähigkeiten und Textverständnis
beispielsweise hängen unmittelbar von der Leistungsfähigkeit dieses
Zwischenspeichers ab.
Der
Arbeitsspeicher des Gehirns lässt sich also als eine Art Notizblock verstehen.
Er hilft uns, wichtige Informationen im Kopf zu behalten, während eine
spezifische Aufgabe verrichtet wird.
Kurz: Unsere
akademische Leistungsfähigkeit wird offenbar massgeblich durch den
Entwicklungsstand des präfrontalen Kortex bestimmt.
Wichtig: Der
Arbeitsspeicher ist tranierbar, wie neuste wissenschaftliche Erkenntnisse
zeigen. Entsprechende Übungen scheinen sogar ADHS-Symptome zu lindern.
Mögliche Ursachen für Prüfungsversagen
Wenn wir uns
Gedanken darüber machen, dass wir versagen könnten, ist die Wahrscheinlichkeit
tatsächlich grösser, wirklich zu versagen.
Im Moment, wo
Ängste und Selbstzweifel den Kopf fluten (Habe ich mich genügend vorbereitet?
Was denken die andern, wenn ich scheitere?), wird es schwierig klar zu denken.
Wir können
uns nicht gleichzeitig auf Selbstzweifel und die zu lösende Prüfungsaufgabe
konzentrieren. Die aufkommende Angst blockiert den Arbeitsspeicher. Es bleibt
kaum mehr Kapazität für die eigentliche Aufgabe.
Menschen, die
sich stark reflektieren, laufen eher Gefahr, unter Stress an Prüfungen zu
versagen.
Interessanterweise
scheitern Menschen mit einem leistungsfähigen Arbeitsspeicher öfter unter
Druck. Ein zu guter Arbeitsspeicher kann blockierend wirken, weil er das Finden
aussergewöhnlicher Lösungswege hemmt. Wir sollten den Arbeitsspeicher also im
richtigen Moment auch deaktivieren können.
Prüfungsversagen
kann einerseits auftreten, wenn automatisierte (unterbewusste) Abläufe zu stark
hinterfragt werden. Sian Beilock nennt diesen Effekt «paralysis by analysis».
Andererseits können aber auch falsche, nicht hinterfragte Routinen zum
Scheitern führen. In beiden Fällen wird der Arbeitsspeicher falsch verwendet.
Auch
Stereotype wie «Mädchen sind schlecht in Mathe!» oder «Knaben lesen schlecht!» können die Leistungsfähigkeit einer Person
erheblich herabsetzen.
Gut zu
wissen: Der persönliche Druck steigt, je mehr Leute von einer anstehenden
Prüfung wissen.
Massnahmen, um druckbedingtem Prüfungsversagen zu begegnen
Am effektivsten ist das Üben der
Prüfungssituation unter möglichst realen Bedingungen.
Wir sollten Pausen
einschalten, wenn eine Blockade eintritt. Generell sollten sich Examinanden
Zeit für eine gründliche Analyse lassen: zuerst Informationen sammeln und
ordnen, dann den geeignetsten Weg suchen. Vor dem Start durchatmen und einen
Schritt zurück machen! Dieses Vorgehen entlastet den Arbeitsspeicher.
Ebenfalls
entlastend wirken Notizen: nicht alles im Kopf behalten, sondern möglichst viele
Fakten strukturiert aufschreiben. Dadurch wird der präfrontale Kortex befreit.
Als Konsequenz davon werden weniger Informationen verwechselt bzw. vergessen.
Eingeübte
Tätigkeiten verlassen den Bewusstseinsbereich mehr und mehr. Sie gehen ins
Unterbewusstsein über und belasten dadurch den präfrontalen Kortex kaum mehr
(gute Kopfrechner können sich deshalb besser auf eine neue mathematische
Problemstellung einlassen).
Generell
gilt: Wollen wir erfolgreich werden, muss das Gehirn trainiert werden («Übung
macht den Meister!»). Dadurch werden neue, hilfreiche Verknüpfungen gebildet.
Action-Computer-spiele zum Beispiel stärken die Intelligenz.
Das Gehirn
wird ständig neu verschaltet. Damit wird unter Umständen der Grundstein für
eine aussergewöhnliche Leistung gelegt.
Mit Tricks
und Übung kann die wichtige Merkfähigkeit erheblich optimiert werden.
Merktechnisch ist es hilfreich, Informationseinheiten zu bündeln, d.h., zu
sinnvollen Einheiten zusammenzufassen.
In
Stresssituationen kann, wie bereits erwähnt, ungewollt ein innerer Angstmonolog
starten. Dieser Monolog blockiert die verbale Intelligenz mit Sitz in der linken
Hirnhälfte. Da eine Gehirnhälfte nicht zwei Probleme gleichzeitig bearbeiten
kann, sollte auf eine andere Gehirnregion ausgewichen werden. Rechnen wir
beispielsweise vertikal, weichen wir auf die rechte, unbelastete Hirnhälfte
aus.
Kurz: Wüten die
Ängste in der linken Hirnhälfte, sollte auf die rechte Hirnhälfte ausgewichen
werden. Dies tut man, indem die Problemstellung vertikal strukturiert wird.
So wird die
rechte Hirnhälfte aktiviert, die für das räumliche Denken zuständig ist (Skizzen
oder Tabellen erstellen). Das Ab- bzw. Umschreiben von Aufgaben hilft ebenfalls,
dumme Fehler zu vermeiden. Die Schriftlichkeit fungiert dann als eine Art
externer Speicher und entlastet den gestressten Arbeitsspeicher.
Schreiben bewirkt Wunder
Schreiben über persönliche Qualitäten und Einzigartigkeiten hilft, Selbstzweifel abzubauen. Wenn plagende Gedanken aufkommen, soll man sie in Worte fassen und dann loslassen.
Selbst das
Reden über Ängste befreit. Werden wir uns unserer Ängste bewusst, ändert sich die
Arbeitsweise des Gehirns unter Druck. Entsprechend ist es hilfreich, vor dem
Test 10 Minuten lang Gedanken und Gefühle niederzuschreiben, welche die Prüfung
betreffen. Je mehr man sich mit diesen Gefühlen und Gedanken befasst, desto
besser. Gefühle in Worte zu fassen, beeinflusst die Art, wie das Gehirn mit
Stressinfos umgeht.
Über sich aus
verschiedenen Blickwinkeln nachdenken: 5 Minuten vor dem Test Mindmap erstellen
darüber, was die eigene Persönlichkeit ausmacht.
Selbstzweifel
können mit Meditation bekämpft werden. Man muss lernen, seine Gedanken auf die
Aufgabe zu konzentrieren – und nur auf die Aufgabe.
Darüber nachzudenken,
was zum Erfolg führen könnte, hilft ebenfalls, bessere Resultate zu erzielen.
Daran
glauben, dass man die Aufgabe meistern kann. An erfolgreiche Momente in der
Vergangenheit denken.
Man muss sich
daran erinnern, dass man das nötige Wissen hat und man Herr der Lage ist.
Dieser Gedanke kann den nötigen Schub an Selbstvertrauen geben.
Interpretation
der Köpersignale: Stresssignale (nasse Hände, schneller Herzschlag) sollen
positiv interpretiert und idealerweise mit positiven Ereignissen in Verbindung
gebracht werden (als ich meine erste Liebe traf, hatte ich auch einen erhöhten
Herzschlag).
«Just do it» – Nike. Routinefähigkeiten sollen
nicht zu stark reflektiert werden.
Gerät man an
eine neuartige, unvorhergesehe Aufgabe, muss ihr die volle Aufmerksamkeit
gewidmet werden. Hier soll der ganze Arbeitsspeicher eingesetzt werden.
Längere
stressfreie Phasen einschalten (Ferien). Nur so kann sich das Gehirn wieder
regenerieren.
Menschen mit einem
sehr leistungsfähigen Arbeitsspeicher überhitzen in Stresssituationen. Sie
suchen zu weit und brauchen dadurch viel Energie. Sie ermüden in solchen
Situationen rasch. Menschen mit weniger verfügbarem Arbeitsspeicher finden
dafür häufig kreativere Lösungen.
Weitere Erkenntnisse
Je älter ein Kind im Verhältnis zu seinen Kameraden ist, desto grösser ist die Wahrscheinlichkeit, dass es überdurchschnittliche Leistungen erbringt. Ältere Kinder profitieren von der fortgeschrittenen Entwicklung ihres Gehirns.
Man muss sich
also fragen, ob mit dem Überspringen von Klassen nicht einfach überragende
Leistung neutralisiert wird.
Musikunterricht
fördert das Zusammenspiel der Hirnhälften. Dies ist förderlich, weil der
präfrontale Kortex erst nach der Pubertät voll ausgereift ist. Bis dahin
übernehmen andere Regionen des Gehirns seine Aufgabe.
Knaben suchen
eher nach Abkürzungen bei der Problemlösung. Mädchen halten sich an gelernte
Wege. Dadurch können sie unter Stress in Zeitnot geraten.
Erfahrungen
mit Legosteinen sind wichtig für die Entwicklung des räumlichen
Vorstellungsvermögens. Knaben sind da eher im Vorteil.
Je später
sich Kinder eine Fähigkeit aneignen, desto grösser ist die Wahrscheinlichkeit,
dass sie später in einer Prüfungssituation darin versagen.
Diese
Erkenntnis spricht für Frühförderung.
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